Jahresthema Gottesdienst 2. Mose 20,8

Beim „Wort zum Sonntag“ steigt angeblich regelmäßig der Wasserverbrauch in Deutschland, weil viele Fernsehzuschauer diese paar Minuten nutzen, um zur Toilette zu gehen. Aber nicht nur das „Wort zum Sonntag“ stößt auf eher mäßiges Interesse, sondern zunehmend auch der Sonntag selbst. Das geht von der Sieben-Tage-Woche in Fabriken über die Sonntagsbrötchen und verkaufsoffene Sonntage bis zur Forderung nach einer völligen Abschaffung des Ladenschlussgesetzes. Das zeigt sich auch daran, dass für viele Menschen, vor allem für Jugendliche, der Sonntag der langweiligste Tag der Woche ist, mit dem sie nichts anzufangen wissen. Der Sonntag ist aber eine großartige Erfindung des lebendigen Gottes. Der Sonntag ist eine absolute Notwendigkeit für uns Menschen. Der Sonntag ist eine wunderbare Wohltat für die gesamte Schöpfung. Und wir dürfen den Sonntag nicht aufgeben! Deshalb haben wir, heute und überhaupt in diesem Jahr in unserer Gemeinde den Sonntag zum Thema gemacht. Und deshalb will ich Euch heute das „Wort zum Sonntag“ sagen. Und zwar Gottes Wort zum Sonntag.

 

(1) Gottes Wort zum Sonntag heißt: Du sollst ruhen!

 „8Gedenke des Sabbattages, dass du ihn heiligest. 9 Sechs Tage sollst du arbeiten und alle deine Werke tun. 10 Aber am siebenten Tage ist der Sabbat des Herrn, deines Gottes. Da sollst du keine Arbeit tun ... . 11 Denn in sechs Tagen hat der Herr Himmel und Erde gemacht und das Meer und alles, was darinnen ist, und ruhte am siebenten Tage. Darum segnete der Herr den Sabbattag und heiligte ihn.“ 2. Mose 20, 8-11

Du sollst! Das ist wichtig, dass wir das wahrnehmen. Es geht hier um ein Gebot Gottes. Sabbat oder nicht, Feiertag oder Werktag, das ist nicht einfach in unser Belieben gestellt. Gott fragt uns nicht, ob wir einen freien Tag haben wollen. Er verordnet ihn. Und das ist auch gut so. Er weiß, was seine Geschöpfe brauchen. Besser als wir selbst das wissen. Er hat uns so gemacht, dass wir diese Pause brauchen. Alle sieben Tage. Er verordnet uns den Gottesdienst. Denn nicht nur unser Körper braucht Ruhe, sondern auch unsere Seele soll Nahrung zu sich nehmen können. Der Sonntag gehört Gott.

Das ist ja gar nicht so leicht. Sechs Tage arbeiten, einen Tag ausruhen. Als Pfarrer kenne ich das Problem natürlich auch. Ein Ruhetag – schön und gut. Aber es liegt ja so viel Arbeit da. Und Menschen warten auf einen Besuch. Selbständige können davon ein Lied singen. Hausfrauen kennen zu diesem Lied gleich noch weitere Strophen. Sonntags ist meist mal die Familie zusammen. Und und und...

Könnte es sein, dass wir uns selbst da viel zu wichtig nehmen?

Gott sagt uns hier: He, die Erde dreht sich weiter, auch wenn du Pause machst. He, die Gemeinde wächst, auch wenn du einen Tag ruhst. He, die Firma geht nicht Konkurs, auch wenn du nicht pausenlos durchmalochst. Und der Familie tut es allemal gut, wenn sie gemeinsam zum Gottesdienst geht.

Gott sagt: Nimm dich doch nicht zu wichtig. Zumindest nicht auf diese falsche Art und Weise. Denn wie wichtig du bist, das entscheidet sich ja nicht daran, wie viel du  arbeitest. Wie wichtig du bist, das hängt doch nicht daran, wie viel du leistest.

Mir bist du wichtig, sagt Gott. Unabhängig von deiner Leistung. Ich habe dich lieb. Ohne, dass du diese Liebe erarbeiten musst. Du liegst mir am Herzen. Einfach so. Und deshalb will ich, dass du Pause machst und dir Zeit nimmst, dich innerlich neu auszurichten. Dass du ausruhst und auftankst. Du sollst ruhen. Punkt. Sechs Tage sollst du arbeiten, aber am siebten Tag sollst du keine Arbeit tun (da steht übrigens das hebräische Wort „Maloche“). Am siebten Tag sollst du ruhen. Machs wie ich. So wie ich, der Schöpfer, dein Gott, geruht habe.

Freilich gibt es da Ausnahmen. Freilich müssen Tiere auch am Sonntag gefüttert werden. Freilich müssen die Rettungsdienste auch sonntags besetzt sein. Freilich müssen die Pfarrer sonntags arbeiten. Aber müssen all die Ausnahmen wirklich sein, die wir in den letzten Jahren gemacht haben? Müssen am Sonntag wirklich frische Brötchen auf den Tisch? Müssen wir an den Adventssonntagen wirklich einkaufen gehen? Müssen Maschinen wirklich sieben Tage laufen? (Das ist ja übrigens geradezu pervers: Wir schaffen Maschinen an, die uns die Arbeit erleichtern sollen. Und am Ende führen genau diese Maschinen dazu, dass wir sieben Tage in der Woche arbeiten – weil sie sich sonst angeblich nicht lohnen.)

Gott sagt: Du sollst ruhen und Zeit für mich haben. Und wenn er sagt: Du sollst!, dann sind wir erst mal dran mit Gehorchen. Das müssen wir vielleicht (wieder) lernen. Aber das kann man lernen. Das kann man einüben: Nicht an den Schreibtisch gehen, auch wenn noch so viel drauf liegt. Nicht das Haus putzen, auch wenn's noch so chaotisch aussieht. Nicht lernen, auch wenn am Montag eine Klassenarbeit ansteht. Und wer's ausprobiert, der merkt: Das geht ja. Die Welt geht nicht unter. Im Gegenteil. Die Pause tut gut. Die Arbeit geht wieder leichter von der Hand. Die Klassenarbeit wird gut.

Seht, wenn Gott uns ein Gebot gibt und wir halten sich daran, dann wird er uns dafür doch nicht bestrafen. Das Halten dieses Gebotes hat etwas mit Vertrauen zu tun – mit dem Vertrauen darauf, dass Gott uns schon versorgt, auch wenn wir die Arbeit aus der Hand legen. Das haben auch schon ganz große Firmen und Handelsketten ausprobiert und erlebt, dass der Umsatz nicht einbrach, sondern gleich blieb oder sogar stieg. Gott segnet, wenn wir uns für ihn Zeit nehmen. Und wir tun gut daran, uns an diese göttliche Verordnung, Anordnung, Ordnung zu halten. Gottes Wort zum Sonntag heißt: Du sollst ruhen und an Leib und Seele auftanken.

 

(2) Gottes Wort zum Sonntag heißt: Du darfst frei sein!

Jesus sagt einmal: „Der Sabbat ist um des Menschen willen gemacht und nicht der Mensch um des Sabbats willen.“ (Markus 2,27)

Wir Menschen haben die merkwürdige Tendenz, ein Gebot, eine Ordnung entweder zu übertreten – dann halten wir uns nicht daran – oder zu überhöhen – dann machen wir uns damit das Leben unnötig schwer. Aus dem Zaun, der uns auf dem rechten Weg halten soll, machen wir eine Mauer, die uns bedrückt und dann garnieren wir sie noch mit Stacheldraht, der uns bedroht. Und aus der guten Ordnung wird ganz schnell eine drückende Pflicht.

So ist es den Menschen zur Zeit Jesu gegangen. Die hatten einen solchen Wust von Regeln und Verboten um diesen Tag herum konstruiert – vor lauter Angst, den Sabbat nicht zu halten – dass das eine ganz drückende Pflicht wurde. Und das ist im Judentum heute noch so. Das kennen auch die Älteren – dass der Sonntag der Tag der weißen Kniestrümpfe war oder der engen Hemdkragen, der Tag, an dem man sich nicht schmutzig machen durfte und an dem alles Mögliche verboten war. Oft aus Aberglauben und Angst vor Unglück. Der Sonntag als Tag der Unfreiheit.

Wenn wir aber an diesem Tag mehr Angst haben, etwas falsch zu machen als Freude darüber empfinden, dass er uns geschenkt wird, dann läuft etwas gründlich daneben. Denn dieser Tag soll ein Tag der Freiheit sein. Gott schenkt einen ganzen Tag der Freiheit. Einen freien Feiertag pro Woche.

Das wird schon im AT deutlich, wo bei der Wiederholung des dritten Gebotes noch dazu gesagt wird: „Ihr wart Knechte in Ägypten und der Herr hat euch dort herausgeführt. Deshalb sollt ihr den Sabbat halten und meiner gedenken“ (5. Buch Mose 5,15).

„Dieser Tag erinnert daran, dass ich der Handelnde bin, der es gut mit euch meint,  dass ihr frei seid, dass ihr keine Sklaven seid. Ich will euch beschenken an diesem Tag. Nehmt euch Zeit zum Auftanken. Ihr bekommt meinen Kraftstoff kostenlos. Ihr seid keine Sklaven.  Nicht die Sklaven von Gesetzen und Verordnungen. Nicht die Sklaven eurer Arbeit. Nicht die Sklaven der Freizeit- und Spaßgesellschaft (für viele ist ja der freizeitgestresste Sonntag der anstrengendste Tag der Woche – weshalb der Montag auch der Tag mit den schlechtesten Leistungen ist).

Jeder Sonntag erinnert daran: Macht euch nicht zu Sklaven! Ihr seid frei. Nicht ihr seid für den Sabbat da. Sondern der Sabbat ist für euch da, sagt Jesus. Weil ihr ihn braucht. Das bedeutet ganz praktisch, dass ich an diesem Tag die Freiheit habe, Dinge zu lassen. Genauso aber auch die Freiheit, Dinge zu tun. Im Zweifelsfall frage  einfach Jesus: „Herr, ich meine, das und das müsste ich jetzt tun. Was meinst Du dazu?“ Er wird dir schon Antwort geben. Gottes Wort zum Sonntag heißt: Du sollst ruhen und Leib und Seele auftanken. Du darfst frei sein.

 

(3) Gottes Wort zum Sonntag heißt: Du wirst leben!

Jetzt habe ich die ganze Zeit mal über den Sabbat gesprochen, mal über den Sonntag. Gottes Gebot sagt ja, dass der Sabbat, der siebte Tag der Woche, ein Ruhetag sein soll. Wir Christen aber feiern den Sonntag, den ersten Tag der Woche (auch wenn es inzwischen eine DIN-Norm gibt, die den Montag als ersten Tag definiert – womit wir doch wieder beim siebten Tag wären). Der Grund dafür ist ganz einfach: An einem Sonntag ist Jesus auferstanden. Und das war so wichtig, so entscheidend, so grundlegend, dass die ersten Christen bald angefangen haben, den Sonntag als wöchentlichen Feiertag zu halten. Schon in der Apostelgeschichte ist die Rede vom „ersten Tag der Woche, da sie versammelt waren, das Brot zu brechen“ (Apostelgeschichte 20,7). Und allmählich hat sich das dann durchgesetzt.

Jeder Sonntag ist also ein kleines Osterfest. An jedem Sonntag freuen wir uns, dass Jesus auferstanden ist. An jedem Sonntag feiern wir den Sieg des Lebens über den Tod. Und an jedem Sonntag werden wir daran erinnert, dass Gott uns das Leben verheißen hat. Jeder Sonntag trägt in sich schon die Botschaft: Du wirst leben!

Das ist der erklärte Wille Gottes für dich und für mich. Das Leben. Und das schenkt er durch seinen Sohn Jesus Christus. Durch den, der am Kreuz gestorben ist und dessen Auferstehung wir an jedem Sonntag feiern. Deshalb ist der Sonntag nicht nur ein Ruhetag. Allein die Ruhe am Sonntag ist Ausruhen und hat noch nichts mit der Heiligung zu tun. „Du sollst den Sonntag heiligen! Nicht nur ein freier Tag. Sondern ein echter Feiertag – ein Tag, an dem ich mit der Gemeinde zusammen vor Gott feiern will. Ein Tag, an dem mir die Gemeinschaft mit dem lebendigen Gott, der mir das Leben schenken will, und mit seiner Gemeinde ganz besonders am Herzen liegt. Im dritten Gebot geht es ja nicht nur darum, dass wir an diesem Tag nicht malochen sollen. Sondern da heißt es, dass wir diesen Tag heiligen sollen. Heiligen bedeutet in der Bibel: Für Gott aussondern. Das ist der Tag, an dem wir – mehr noch als sonst – uns Zeit nehmen sollen für Gott. Zeit für sein Wort. Zeit für seine Gemeinde. Zeit für den Gottesdienst. Zeit für das Fest des Lebens. Und das erst macht den Sonntag wirklich zum Feiertag. So wichtig alles andere sein mag – die Ruhe, die Zeit für mich, für die Familie, für Freunde: Erst der Besuch des Gottesdienstes heiligt den Sonntag. Dazu ist er bestimmt. Dazu haben wir am Sonntag frei. Das Heiligen erst macht den Sonntag zum Auftank-Tag für die neue Woche. Das erst macht den Sonntag zum Sonntag. Ich kann gerne auf die Sonntagsbrötchen verzichten. Aber auf das Brot des Lebens, das mir im Gottesdienst in Wort und Sakrament gereicht wird, will ich nicht verzichten. Gottes Wort zum Sonntag heißt also: Du sollst ruhen. Gottes Wort zum Sonntag heißt: Du darfst frei sein. Gottes Wort zum Sonntag heißt: Du wirst leben.