Die Jahreslosung für 2014: Gott nahe zu sein ist mein Glück. (Psalm 73,28 )

Es soll ja Menschen geben, die bei einem Roman zuerst den Schluss lesen. Damit kennt man zwar die Lösung, aber eben nicht den Weg dorthin. Die Jahreslosung stellt uns solch eine Lösung vor. Um den Weg dorthin kennen zu lernen, ist es lohnend den ganzen Psalm zu lesen.

Ein Lied Asafs. Gott ist gut zu Israel, zu allen, die ihm ganz vertrauen. Das kann niemand bestreiten! Ich aber hätte beinahe an ihm gezweifelt, fast hätte ich den Glauben aufgegeben. Denn ich beneidete die überheblichen Menschen: Ihnen geht es gut, obwohl Gott ihnen völlig gleichgültig ist. Ihr Leben lang haben sie keine Schmerzen, sie strotzen vor Gesundheit und Kraft. Sie müssen sich nicht abplagen wie andere Menschen, und die täglichen Sorgen sind ihnen ganz und gar fremd. Sie sind stolz auf ihren Stolz und tragen ihn zur Schau, ja, sie prahlen sogar mit ihren Gewalttaten. In ihren feisten Gesichtern spiegelt sich die Bosheit ihres Herzens wider. Mit Verachtung schauen sie auf andere herab und verhöhnen sie, mit zynischen Worten setzen sie jeden unter Druck. Sie tun, als kämen ihre Worte vom Himmel; sie meinen, ihre Sprüche seien für die ganze Menschheit wichtig. Darum läuft sogar Gottes Volk ihnen nach, es hängt an ihren Lippen und glaubt alles, was man ihm vorsetzt. Denn diese eingebildeten Leute sagen: "Gott kümmert sich um nichts - wie sollte er auch? Er thront so weit oben und weiß nicht, was sich hier unten abspielt!" Selbstsicher und sorglos leben sie in den Tag hinein, ihr Vermögen und ihre Macht werden immer größer. War es denn völlig umsonst, dass ich mir ein reines Gewissen bewahrte und mir nie etwas zuschulden kommen ließ? Jeder Tag wird mir zur Qual, eine Strafe ist er schon am frühen Morgen! Hätte ich mir vorgenommen: "Ich will genauso vermessen reden wie sie!", dann hätte ich dein ganzes Volk verraten. Also versuchte ich zu begreifen, warum es dem Gottlosen gut und dem Frommen schlecht geht, aber es war viel zu schwer für mich. Da ging ich in Gottes heiligen Tempel, und dort wurde mir auf einmal klar: entscheidend ist, wie ihr Leben endet! Du stellst sie auf schlüpfrigen Boden und wirst sie ins Verderben stürzen. Ganz plötzlich wird sie das Entsetzen packen, sie werden ein Ende mit Schrecken nehmen. Wie ein Traum beim Erwachen verschwindet, so vergehen sie, wenn du dich erhebst, o Herr. Als ich verbittert war und mich vor Kummer verzehrte, da war ich dumm wie ein Stück Vieh, denn ich verstand dich nicht. Jetzt aber bleibe ich immer bei dir, und du hältst mich bei der Hand. Du führst mich nach deinem Plan und nimmst mich am Ende in Ehren auf. Herr, wenn ich nur dich habe, bedeuten Himmel und Erde mir nichts. Selbst wenn alle meine Kräfte schwinden und ich umkomme, so bist du doch, Gott, allezeit meine Stärke - ja, du bist alles, was ich habe! Eines ist sicher: Wer dich ablehnt, wird zugrunde gehen; du vernichtest jeden, der dir die Treue bricht. Ich aber darf dir immer nahe sein, mein Herr und Gott; das ist mein ganzes Glück! Dir vertraue ich, deine wunderbaren Taten will ich weitererzählen.

Wer dieses Psalmwort wie der Beter, der es zum ersten Mal gesprochen hat, zu seinem eigenen Gebet macht, der nimmt in Gedanken am Selbstgespräch des Betenden teil und spricht gleichzeitig ein Bekenntnis zu Gott aus. Die Frage, die ihn quält: Was ist der Glaube an Gott wert, wenn Gott es zulässt, dass es denen, die nicht glauben, im täglichen Leben besser geht, als denjenigen, die täglich zu glauben versuchen?

Vordergründig braucht man Gott nicht zu seinem Glück. Zum Glück gehören eine harmonische Familie, in der man Zuwendung erfährt, Freunde, tiefe und dauerhafte Beziehungen, ein soziales Netz, in dem wir uns geborgen fühlen, eine zufriedenstellende Tätigkeit, die Balance zwischen unseren unterschiedlichen Lebensaufgaben, eine materielle Lebensgrundlage, Anerkennung durch Eltern, Freunde und Lehrer.

Genauso deutlich wie der Beter in seiner Zeit können wir außerdem feststellen, dass ganz oft gerade diejenigen, die nichts von Gott halten, Erfolg um Erfolg feiern. Es gibt Menschen, bei denen klappt einfach alles. Meist sind solche Personen auch noch besonders attraktiv und beliebt. Die einen sind nur noch am überlegen, wie sie noch mehr Geld verdienen und ausgeben können; die anderen können sich keine teuren Medikamente leisten oder überlegen, wie sie sich täglich über Wasser halten können. Schönheitsexperten, Wellness-Spezialisten, Diät-Berater, machen ihre Glücksversprechen. Sei glücklich! Andererseits gilt: Fürchtet euch! Fürchtet um euer Geld, um eure Gesundheit, um eure Zukunft.

Das himmelschreiende Unglück der einen und das scheinbar perfekte Glück der anderen stehen nebeneinander. Wie kann man da überhaupt noch von Gott sprechen? Solche Fragen sind für unseren Glauben wie plötzlich aufziehender Nebel, der die Sicht versperrt. Zweifel breitet sich aus und nimmt uns die Sicht. Unser Vertrauen auf Gott ist erschüttert.

Der Psalmbeter zeigt uns, wie wir mit solchen Krisen umgehen können. Er klärt die Situation dadurch, dass er seine abgrundtiefe Enttäuschung vor Gott ausspricht und das führt zur Offenheit für Gott. Der Beter sieht keinen Sinn darin nun umzuschwenken, das Fähnchen nach dem Wind zu hängen. Er spürt auch, dass er mit Nachdenken nicht weiter kommt.

Der Schritt, den er geht: Er geht in den Tempel – übertragen auf uns – dorthin, wo Christen sich treffen. Er entscheidet sich, nicht in den Details der Fragen unterzugehen, sich nicht im Weltschmerz zu suhlen, sondern die größere Perspektive einzunehmen und die Welt mit den Augen Gottes zu sehen. Er erlebt die Gemeinschaft der Glaubenden ganz neu.

Wie ein Netzwerk können wir in der Krise die Gemeinschaft der Glaubenden erleben. In so einer Gruppe, wenn da alle an Gott glauben, dann kriegt das natürlich auch Kraft und Stärke. In der Gemeinschaft gewinnen wir eine neue Sicht und es wird deutlich, worauf es im Leben ankommt. Die Lösung liegt nicht im Grübeln und Selbermachen, sondern in der Gottesbegegnung.

Jesus erzählt einmal von einem reichen Kornbauern, der sich sagt: Du hast doch alles, was du zum Leben brauchst. Dabei denkt dieser an seine

gutlaufenden Geschäfte, sein Ansehen, sein familiäres Glück. Jesus antwortet ihm: Du Narr! Was zählt, ist, dass Gott für dich ist und du dich auf ihn verlassen kannst. Wir sind eben arm dran, wenn wir nicht bei Gott geborgen sind. Ich aber – Gott nahe zu sein ist mein Glück. Was für ein Glück!

von Jürgen Kehrberger