Erntedank

»Was heißt Ernte?«, fragte ich einige Kinder am Erntedanktag. »Eine
Zigarettenmarke«, sagte darauf ein Junge. Tatsächlich, viele
Menschen haben heute keine Beziehung zur Ernte. Sie fahren zum
Supermarkt und holen sich alles Notwendige aus den Regalen. Mein
Nachbar schaute mir kürzlich bei der Gartenarbeit zu und fragte:
»Haben Sie das denn noch nötig?« Als ich mich als frischer Lehrling bei
meinem Chef für meinen Lohn bedankte, wurde ich von meinen
Kollegen zurechtgewiesen: »Für den Lohn bedankt man sich nicht.
Den hat man sich doch erarbeitet.«
Diese Beispiele machen uns deutlich, dass wir in unserer
Leistungsgesellschaft vom Anspruchsdenken geprägt sind und bei uns
das »Danke-Sagen« selten geworden ist. Wir sind stolz auf unser
Können und den Wohlstand, den wir uns erwirtschaftet haben. Als
»rückständig« wird der belächelt, der seine Hände zum Dankgebet
faltet.
Frage: Ist es unser Verdienst, dass wir hier wohnen, dass wir nicht in
Bangladesch geboren sind oder als Beduinenkind in der Sahelzone
leben müssen? Oder in Ländern wo Dürre oder Überschwemmungen
das mühsam Angepflanzte schlagartig vernichten? Wir genießen viele
Vorzüge, die uns einfach zugefallen sind. Gott ist zornig über die
gedankenlose Selbstverständlichkeit, mit der wir die vielen guten
Dinge beanspruchen! Wie oft mag er auf unser Dankeschön vergeblich
warten! Wir wollen es uns angewöhnen, öfter an den Geber der vielen
guten Gaben zu denken, an unseren Gott. Ihm wollen wir danken für
den Frieden, die Versorgung, die Wohnung, den Arbeitsplatz, die
Gesundheit … Gott wartet auf unseren Dank, und er hat ein Recht
darauf! Nicht nur heute!

Quelle: Leben ist mehr Kalender 2002, Christliche Literatur-Verbreitung e.V